In einem Fotoforum diskutierten wir gerade die Frage, inwieweit sich Fotoexkursionen in den Wald überhaupt planen lassen. Insbesondere dann, wenn wildlebende Tiere das Objekt der Begierde sind. Hintergrund war die Frage, ob es sich bei Wildfotografie um Schnappschüsse oder geplante Fotografien handelt.

Ich habe dazu bemerkt, dass ich eigentlich fast immer mit einem Plan losgehe, dann aber meist mit ungeplantem Beifang nach Hause komme. Das gehört aber zum Plan dazu, Wildlife ist eben keine Tierparkfotografie. Hirsche z.B. laufen jeden Tag zwischen 20 und 50 km. Dass sie an deinem Ansitz aufscheinen, wenn du gerade da bist, ist eher unwahrscheinlich. Man muss seine Chance durch stetes Wiederkommen erhöhen. Und wenn du dann deinen Zwanzigender einmal pro Saison vor die Linse kriegst, ist das schon einen Plan. Und die vergeblichen Stunden des Wartens sind selten umsonst. Nur einen Tag später wurde meine These durch das richtige Leben bestätigt:

Ich arbeite gerade an einem Projekt, den Rotwildbestand im Sachsenwald fotografisch zu dokumentieren. Das bedeutet, dass ich in den nächsten Monaten hauptsächlich den Hirschen nachstelle. Natürlich ist das alles mit den Jagdpächtern und Förstern des Sachsenwaldes abgestimmt. Soweit der Plan. Wer Rotwild kennt, weiß, dass die Pirsch selten erfolgreich ist. Rotwild lebt im Rudel und ein Mitglied des Rudels passt immer auf. Sie sehen, hören und wittern hervorragend. Chance auf ein Foto hat nur, wer vor ihnen da ist. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und so saß ich gestern und wartete auf Hirsche.

Was dann jedoch vor meinem Versteck auftauchte, war allerdings kein Hirsch, sondern ein prächtiger, mittelalter Rehbock. Der Wind kam von der richtigen Seite, offensichtlich war ich für ihn nicht zu sehen und so hatte ich über eine Stunde Zeit, das schöne Tier in aller Ruhe zu studieren.

Rehböcke sind vom Alter schwer einzuschätzen, das Gehörn ist kaum aussagefähig und zu jedem Merkmal gibt es viele Ausnahmen. Ich habe ihn auf 3-5 Jahre geschätzt, der Berufsjäger des Reviers grenzte auf 3-4 Jahre ein. Tendentiell gilt bei Rehböcken: Je dichter die Rosen des Gehörns am Schädel sind, je grauer das Gesicht, je muskulöser der Hals und je breiter die Vorderläufe am Brustkorb stehen, desto älter ist er. Ein ganz alter ist dieser aber noch nicht, dafür ist die Kopfform noch noch zu länglich. 

Ich kann mich nicht daran erinnern, je einen Rehbock bei seiner Körperpflege beobachtet zu haben. In aller Seelenruhe putzte er mit großer Sorgfalt und Ausdauer sein Fell, was für diese Tiere lebensnotwendig ist.

Soweit mein Plan von den Hirschen. Ich wartete noch bis 22:00 und habe dabei an ein Erlebnis vom letzten Jahr gedacht. Da war ich auf einen Zwanzigender los und bin zu früh nach Hause gegangen. Auf dem Rückweg kam mir der Fotokollege Timo (Instagram Wolfsrevier) entgegen, der erst spät zum Ansitzen unterwegs war. Der hat dann sensationelle Fotos gemacht! Also habe ich noch ein paar Landschaftsaufnahmen in der blauen Stunde gemacht und erst am Ende des Lichtes mein Versteck verlassen. Den Baumpieper gab es noch als Bonus.

Und der Plan von den Hirschbildern?

Es war bereits 22:30 und ziemlich duster, als ich zufrieden mit meiner Ausbeute nach Hause zog. Der „Beifang“ hatte sich gelohnt, der Bock wird sich sicherlich noch gut in Büchern, Blogbeiträgen, Instagram usw. „vermarkten“ lassen. Und so ging ich guter Dinge nach Hause und dachte bei mir: Ich kann ja noch mal auf den Wildacker schauen, der etwas abseits des Weges liegt. Und siehe da, ich traute meinen Augen nicht: in ca. 120 m Entfernung äste dort ein Rudel von fünf Kolbenhirschen. Ich hatte noch das lichtstarke 90mm f/2 Objektiv auf der Kamera und konnte einen Schnappschuss nehmen:

Was nun? Für richtig gute Fotos war es viel zu dunkel und mit dem lichtstarken 90mm waren sie zu weit weg. Ranpirschen geht überhaupt nicht. Ich füge hier mal die dringende Bitte ein, Hirschrudel am Abend nicht zu stören. Die Tiere sind außerordentlich scheu und ziehen sich bei Gefahr sofort in ihre Unterstände zurück. Dort schieben sie in dieser Jahreszeit einen mächtigen Kohldampf und schälen dann vor Hunger die Bäume ab. Daher gilt: Abstand, Wind beachten, äußerst leise und vorsichtig sein. Und wenn man sie dann vor der Linse hat, warten, bis sie voll allein weiterziehen.

Was also tun? Ich wieder zurück auf den Weg, Rucksack runter und im Halbdunkel das 150-600 Tele aufgeschraubt…

An Autofokus war mit meinem f/8-Objektiv überhaupt nicht mehr zu denken, so dass ich im verpixelten Sucherbild dann halbwegs versucht habe, die Kerle manuell zu fokussieren. In solchen Momenten wächst der Wunsch nach einem 600mm f/4 Teleobjektiv, wobei das Verlangen durch das Preisschild von 15.000 Euro schnell wieder abkühlt. Soviel Geld für eine halbe Stunde mehr Licht? Eher nicht. Trotz dieser Widrigkeiten bin ich immer erstaunt, welche Empfindlichkeit moderne Kameras haben.

So bleibt mir wieder einmal die Erkenntnis: Alles fällt dem zu, der warten kann. In der Natur lassen sich die Dinge nicht erzwingen. Das beste ist, wir sind einfach dabei, wenn Natur sich entfaltet und halten uns einfach bereit, sie bewusst wahrzunehmen. Das ist ja auch schon mal ein Plan.