Ylenia, Xandra und Zeynep – diese drei Sturmtiefs fegten Schlag auf Schlag mit voller Wucht am 17., 18. und 19. Februar 2022 über Norddeutschland hinweg. Anschließend waren Feuerwehr und Technisches Hilfswerk tagelang beschäftigt, die gröbsten Sturmschäden zu beseitigen sowie Straßen und Bahnstrecken freizumachen.
Auch im Sachsenwald hat dieses „Trio Infernal“ Schneisen der Verwüstung hinterlassen. Fast alle Straßen durch den Sachsenwald waren wegen umgestürzter Bäume gesperrt und es dauerte Wochen, bis der Forstbetrieb Sachsenwald eine ungefähre Bilanz der Sturmschäden erstellen konnte: Über 30.000 Festmeter Holz, so die grobe Schätzung des Försters, haben die Orkane direkt oder indirekt umgeworfen. Da sich nicht jeder diese Menge an Holz vorstellen kann: das sind ca. 10.000 ausgewachsene Fichten oder die 1,5-fache Menge der durchschnittlichen jährlichen Holzernte des Sachsenwaldes.
Die Stürme trafen einen verwundbaren Wald. Der Februar 2022 war ein ausgesprochen nasser Monat. Mit 155 l/qm fiel fast viermal soviel Regen wie in durchschnittlichen Jahren, so dass die flachwurzelnden Fichten wenig Halt in den durchnässten Böden hatten. So hatten die drei Orkane ein leichtes Spiel und konnten die meisten Fichten einfach entwurzeln.
Das wird natürlich die Debatte darüber anheizen, ob die Fichte in Zeiten des Klimawandels und der damit einhergehenden Extremwetterlagen noch ein zukunftssicherer Bestandsbaum in deutschen Wäldern ist. Die vom Borkenkäfer zerstörten Berghänge des Harzes führen uns drastisch vor Augen, wie sehr unser Ökosystem bereits aus dem Gleichgewicht gekommen ist und wie verwundbar unsere Monokulturen sind.
Zwei Wochen nach den Orkanen war die Bille noch immer nicht in ihr Bett zurückgekehrt.
Ich betrachte die öffentliche Debatte um den Umbau unserer Wälder mit einiger Skepsis. Wie bei allen populären Themen ist es für Laien sehr schwer, die inhaltliche Qualität der Diskussionsbeiträge zu bewerten. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es selten einfache Lösungen für komplexe Probleme gibt. Auch bin ich mir sehr sicher, dass unser Klimawandel mit all seinen Folgewirkungen nicht von unserer Forstwirtschaft verursacht wurde. Wir sollten in der Debatte daher redlich bleiben. Und solange wir unsere Dachstühle aus Nadelholz bauen, die Terrassen mit Bangkirai statt mit Eiche verlegen und unsere Wohnungen mit Melanin beschichteten Spanholzmöbeln vollstellen, habe ich ein Störgefühl, wenn lautstark und wohlfeil von unseren Förstern der konsequente Umstieg auf Buche und Eiche gefordert wird.
Die Forstleute des Sachsenwaldes stellte die Orkanserie vor die Aufgabe, die ungeplante Holzmenge aus dem Wald zu schaffen, bevor das Holz von Schädlingen befallen wird und der Sturmschaden zur Borkenkäferinvasion führt.
Auch dieser Wettlauf mit der war ist alles andere als einfach: die Windwürfe waren chaotisch über den gesamten Sachsenwald verteilt, wobei von einzelnen entwurzelten Bäumen bis hin zum großflächigen Kahlschlag alles dabei war. Darüber hinaus erschwerte der durchweichte Boden die Arbeit. Das alles war sehr viel aufwändiger als eine geplante Holzernte. Erschwerend kam hinzu, dass alle Förster vor dem gleichen Problem standen und sowohl Arbeitskräfte als auch Forstmaschinen und Transportkapazitäten knapp wurden.
Wenn wir uns darauf einstellen müssen, dass solche Extremwetterlagen zur Regel werden, wird unser Leben noch sehr viel teurer werden. Die dann erforderliche Vorhaltung von personellen und technischen Ressourcen für den Katastrophenfall wird uns dann sehr schnell die Kosten des Klimawechsels vor Augen führen. Aber offensichtlich lernt unsere Gesellschaft nur auf die harte Tour.
Die Windwürfe der Orkane waren überall im Sachsenwald verteilt, so wie hier in der Süsterbeckshege.
Nach der Bestandsaufnahme der Schäden musste zunächst gewartet werden, bis die Böden soweit durchgetrocknet waren, dass die Harvester zum Einsatz kommen konnten. Diese Spezialmaschinen können Bäume nicht nur fällen, sondern im gleichen Arbeitsgang auch entasten und in transportgerechte Längen schneiden.
Ich weiß, dass der Einsatz dieser Harvester nicht unumstritten ist, weil sie bei der Arbeit den Waldboden verdichten. Wer daher die Rückkehr zu Handkettensäge und Pferdegespann fordert, sollte vielleicht selbst einmal in den Wald gehen und sich an dieser lebensgefährlichen Arbeit versuchen.
In der „guten alten Zeit“ war Waldarbeit eine der härtesten und gefährlichsten Arbeiten, die man sich aussuchen konnte, und der Blutzoll für Holz war entsprechend hoch. Der Verzicht auf Holz wäre wohl die konsequentere Schlussfolgerung. Ob damit ein besserer Naturschutz einhergeht, bliebe allerdings zu beweisen.
Mit solchen Gefährten wird das gefällte und geschnittene Holz aus dem Wald geholt und in sogenannten Poltern am nächstgelegenen Wegesrand gestapelt. Dort erfolgt der Verkauf an den Holzhandel und die Markierung des verkauften Holzes durch den Förster.
Nach dem Verkauf organisieren die Holzhändler den weiteren Transport des Holzes. Meist transportieren besonders ausgestattete LKW die Stämme zu einem Umschlagplatz um Wald, wo die Verladung in Container erfolgt.
Angesichts dieser Holzmengen wundert man sich schon über die Holzknappheit auf unseren Baustellen und die Apothekerpreise für Holz in den Baumärkten. Aber: Die vollständig ausgelasteten Sägewerke in Deutschland sind der preistreibende Bottleneck. Die meisten Container gehen daher in den Hamburger Hafen, wo sie gegen Schädlinge begast und weiter nach China geschifft werden. Anschließend werden die Container mit modernster Technik gefüllt, auf die wir in Europa schon warten wie der Junkie auf die Spritze. Die CO2-Emissionen dieser Kreisläufe sorgen dann für die nächsten Orkane, die diesen Kreislauf am Laufen halten.
Was passiert eigentlich mit den umgestürzten Bäumen, die quer über der Bille liegen; teilweise im Abstand von 100 bis 200 Metern. Schöne Sandbänke habe sich dahinter gebildet. Eigentlich ein Naturzustand und ein Kletterrparadies für Kinder.
Zunächst zur Frage: Das Billetal ist ein Naturschutzgebiet, in dem keine Bäume gefällt werden. Umgestürzte Bäume bleiben liegen, wie sie sind, wie man ja auch auf dem Wanderweg erleben kann. Alle alten Bäume – auch die umgestürzten – sind mit einem gelben Schildchen markiert, das dient der jährlichen Bauminventur. In einem Naturschutzgebiet sind gerade die toten Bäume wichtige Biotope, in denen viel neues Leben entsteht.
Was das Kletterparadies für Kinder angeht: Es gibt in Aumühle am Holzhof den Klettergarten, das ist ein richtiges Paradies für die Kids (und mutige Eltern!). Im Naturschutzgebiet gilt ja eigentlich ein Wegegebot, das heißt, dass die ungestörte Natur dort Vorrang hat und Wanderer auf den ausgewiesenen Wegen bleiben sollen. Nun habe ich ja auch Augen im Kopf und sehe täglich, dass sich kein Mensch dort mehr um Naturschutz und Regeln schert. Aber ich wollte nur mal drauf hingewiesen haben.