Die Suche nach der Fürsteneiche
Die Fürsteneiche ist ein Naturdenkmal und wird auf der offiziellen Webseite des Sachsenwaldes als besondere Sehenswürdigkeit ausgewiesen. Die über 400 Jahre alte Stieleiche soll nämlich der Lieblingsbaum des naturverliebten Fürst Bismarck gewesen sein, zu dem er nach zeitgenössischen Erzählungen oft geritten sei. Nichts liegt also näher, als diesen historischen Baum auch an dieser Stelle vorzustellen. Nur, dazu muss man ihn zunächst einmal finden. Leider verrät die Webseite des Sachsenwaldes nicht den Standort dieser Sehenswürdigkeit, es gibt nur den Hinweis auf den Forstort Schadenbek. Im Internet findet man noch weitere Hinweise, mit denen ich mich dann auf den Weg in die Schadenbek gemacht habe: Von Aumühle bin ich den wunderschönen Wanderweg an der Bille entlang bis zur Autobahn A24 gegangen, die den Sachsenwald am Forstort Schadenbek durchschneidet.
Dort bin ich dann den Hinweisen nachgegangen, die sich jedoch als sehr vage herausgestellt haben. Eine knappe halbe Stunde brauchte ich gemeinsam mit meinem Freund, bis wir die Fürsteneiche im Forstort gefunden hatten. Um etwaigen Nachfragen vorzukommen: Die genaue Lage werde ich hier nicht preisgeben, weil die Suche und das Finden das Erlebnis ausmachen. Nie werde ich den ersten Anblick vergessen, als wir die Fürsteneiche gefunden hatten:
Die Fürsteneiche war längst umgestürzt. Ich habe schon viele umgestürzte Bäume gesehen, aber so etwas noch nie. Zerborsten lag sie zwischen jungen Buchen wie ein gefallener Riese. Das Splintholz ihres massigen Stammes war aufgeplatzt wie eine überreife Frucht. Das tote Kernholz schien in dicken Brocken aus ihr herauszuquellen. Rings umher lagen zersplitterte Baumteile und abgerissene Äste. Und dann der mannshohe Wurzelstock. Welche Kräfte mussten hier gewirkt haben, um diesen Baumriesen zu entwurzeln? Die ganze Szene war so surreal wie ein Gemälde von Salvador Dalí.
Über 400 Jahre Geschichte lagen vor uns. Stumm vor Staunen gingen wir um den gefallenen Riesen herum und erst dann fiel uns die mächtige Eiche auf, die ca. 50 Meter abseits im Wald stand. Auch sie hat einen Stammumfang von über 5 Metern und dürfte über 400 Jahre alt sein. Diese Eiche lebt zwar noch, ist aber durch eine ca. Blitzschlagrinne stark geschädigt. An einer Stelle ist der Baum bereits offen und vermulcht. Sein Ende dürfte auch nur noch eine Frage der Zeit sein.
Die dritte Eiche im Bunde steht zwar noch, ist aber bereits tot. Ich war jedoch von der umgestürzten Fürsteneiche so fasziniert, dass ich am Ende vergessen habe, noch ein paar Fotografien von diesem Baum zu machen. Aber ich werde diesen Ort ohnehin noch einmal besuchen, obwohl ich weiß, dass sich der erste Eindruck nie wieder einstellt.
Ein kleiner Kommentar zur Fürsteneiche: Die Fürsteneiche habe ich das erste Mal im Jahr 1984 besucht und zu dem Zeitpunkt war sie schon abgestorben, aber stand noch in ihrer ganzen Größe vor mir. Eine beeindruckende Baumgestalt, auch in ihrem vergänglichen Zustand! Da ich nur ca.2,5 Kilometer von ihr entfernt wohne, habe ich sie über die Jahre im Prozess des Vergehens beobachtet, wie sie immer weniger wurde. Äste wie andernorts Bäume verlor sie, doch als sie dann vor wenigen Jahren gänzlich umstürzte, wurde mir die Vergänglichkeit nochmals richtig bewusst! Nichts bleibt, wie es ist. Die beiden anderen Eichen habe ich noch recht vital erlebt, aber auch hier ist die Zeit am Werk. Nichtsdestotrotz, ein mystischer Platz, leider ein wenig gestört durch die Autobahnnähe. In meiner vom Sachsenwaldkarte von 1929, ist die Fürsteneiche auch noch eingezeichnet, in der von 1983 dann nicht mehr! Leider sieht es bei anderen Baumgestalten, die noch in der alten Sachsenwaldkarte von 1983 eingetragen sind, nicht anders aus, wie z.B. bei der Brüderbuche und der Lollybuche in südlichen Sachsenwald, von denen auch nicht mehr viel übrig ist! Des Weiteren ist die Vogelsangstanne komplett verschwunden. Sollte ich in meinem Diasamelsurium irgendwo noch Aufnahmen dieser Bäume finden, werde ich sie gerne zur Verfügung stellen. Von der Fürsteneiche findet sich ja noch ein Bild im Buch von Rolf Henning!
Ja, selbst Bäume leben nicht ewig. Aber der Sachsenwald beheimatet immer noch alte Methusalems, die einen Besuch wert sind. Ihnen habe ich dieses Jahr meinen Kalender gewidmet. Auf Ihr Angebot mit den Fotos komme ich gerne zurück!
Radtour zur Fürsteneiche
Es entpuppte sich als spannendes Abenteuer, welches tatsächlich von Erfolg gekrönt wurde. Eine Fahrradtour mit meinen Enkelkindern, Frederik (12) und Henriette (9), in den tiefen Sachsenwald sollte uns zur Fürsteneiche bringen. Wie im Sachsenwaldblog beschrieben, erreichten wir den Bereich Schadenbek (Name nach dem kleinen Billezufluss?) mit den Rädern von der Doktorbrücke kommend. Anfangs schossen wir leicht übers Ziel hinaus und waren kurz vor der Autobahn. Aber dann ließen wir die Räder am Weg im Geländeeinschnitt des Baches stehen und versuchten zu Fuß in südöstlicher Richtung unser Glück. Ein dreistimmiger Jubel ertönte, als wir in 60 m Entfernung den liegenden, außerordentlich dicken Stamm der Fürsteneiche entdeckten. Hierher also begab sich der naturverbundene Fürst Bismarck, um sich an dieser und zwei weiteren alten Eichen zu erfreuen. Wie Kinder sind, kletterten sie natürlich gleich auf den toten Baumstamm, dessen Dimension beachtlich ist. Nun wurden alle Eichen nacheinander begutachtet. Die Fürsteneiche zwei ist auch abgestorben, steht aber noch. Aus dem großen Spalt im Baumstamm rieselt der braune Holz-Staub und -Stückchen. Als Andenken durfte sich jedes Kind ein kleines Stück des ehrwürdigen alten Holzes mitnehmen. Die Eiche Nummer drei hat noch Blattwerk, aber es scheint, als seien ihre Tage auch gezählt. Ich stand mit den Kids in dem magischen Dreieck, welches die Eichen ursprünglich bildeten. Sie erfuhren von mir den kleinen historischen Hintergrund und wir verließen den Ort mit demütigen Gedanken an die uralten Bäume.
Lieber Berndt, ich freue mich, dass dir dieser magische Platz und die Suche danach gefallen hat. Du hast Recht, Demut ist eine angemessene Haltung gegenüber alten Bäumen.
LG Harald