Dieser Artikel erzählt die Geschichte von Goldammers Grab, das etwas versteckt im Stangenteichshorst liegt. Die verwitterte Inschrift auf der Grabstätte mit dem bronzenen Hirschkopf gibt wenig vom Verstorbenen preis: „Bernhard von Goldammer, 23. Januar 1847 – 18. Oktober 1906″. Wer war Goldammer und warum hat er hier sein Grab gefunden?

Wer südlich der Bahnstrecke Hamburg-Berlin aufmerksam durch den Stangenteichshorst wandert, kann das Grabmal mit der bronzenen Hirschbüste im Buchenwald entdecken. Offensichtlich wird es noch regelmäßig gepflegt, denn als ich das Grab entdeckt hatte, steckte frischer Tannenschmuck im Boden. Außer der Inschrift auf dem Stein gibt es keine weiteren Hinweise, warum dieses Grab hier mittem im Sachsenwald steht. Eine Suche bei Google brachte auch keine Erkenntnis, so dass ich mit einer gewissen Neugier nachhause zurückkehrte.

Quellensuche

Da mich dieses Grabmal und seine Geschichte interessierte, habe ich weiter recherchiert und einen Hinweis auf den Heimat- und Geschichtsverein Herzogtum-Lauenburg gefunden. Dieser Verein hatte 1983 zu seinem 100-jährigen Jubiläum eine Festschrift aufgelegt, in der Rolf Hennig die Geschichte von Bernhard von Goldammer, dem Hirschvater des Sachsenwaldes, erzählt. Rolf Hennig ist im Sachsenwald aufgewachsen, hatte Forstwirtschaft studiert und galt als Fachmann für Holzwirtschaft und Jagdwesen. Der in der Festschrift erschienene Artikel ist auch in seinem Sachsenwaldbuch enthalten, das er ebenfalls 1983 veröffentlicht hatte. Sowohl die Festschrift als auch das Sachenwaldbuch sind nur noch vereinzelt im Antiquariat erhältlich.

Quellen

Google weiß nicht alles. Die Quellen dieses Artikels sind aus dem Antiquariat: Rolf Hennig, DER SACHSENWALD, Kurt Wachtholz Verlag 1983, 100 Jahre Geschichtsverein, Schriftenreihe des Heimatbunds und Geschichtsvereins Herzogtum Lauenburg 1983, Sonderkarte Sachsenwald, Landevermessungsamt Schleswig-Holstein, 1977

Rolf Hennigs Geschichte von Goldammers Grab

Hennigs Großvater war mit Bernhard von Goldammer befreundet und häufig in dessen Forsthaus am Stangenteich zu Gast. Und so skizziert er in seiner Erzählung ein Bild des „alten Oberst“, das sich hauptsächlich auf familiäre Überlieferungen und nur auf wenigen schriftlichen Zeugnissen stützt. Wer Hennigs Sachsenwaldbuch liest, erkennt im Autor unschwer einen konservativen Patrioten, womit man ihm sicher nicht unrecht täte. Ich weise deshalb darauf hin, weil solche Erzählungen naturgemäß von der Grundhaltung des Erzählenden geprägt sind. Dieser Rolf Hennig berichtete also:

Als Otto von Bismarck 1871 den Sachsenwald als Donation für seine Verdienste erhielt, war der Wald in erster Linie ein Jagdrevier. Erst mit Bismarck hielt die planmäßige Forstwirtschaft Einzug in den Sachsenwald. Hierfür wollte der Reichskanzler mit Peter Lange einen Oberförster einsetzen, der sich bereits in der Schorfheide einen Namen gemacht hatte. In diesem Zusammenhang gab es den ersten Kontakt mit Goldammer:

Bernhard von Goldammer war ein Freund von Bismarcks jüngstem Sohn Willhelm (Bill). Er diente als Offizier in den deutschen Einigungskriegen gegen Dänemark, Österreich und Frankreich und war bereits als Hauptmann mit Peter Lange befreundet. Goldammer und „Bill“ von Bismarck hatten wohl ihren Anteil daran, dass Peter Lange als Oberförster des Reichskanzlers von Zehdenick/Brandenburg in den Sachsenwald zog. An dieser Stelle sei eingeflochten, dass Bismarck sich am Ende von seinem Oberförster getrennt hat und der Streit über die Pension vor Gericht ging, Das ist aber noch eine andere Geschichte, die zum Sachsenwald zu erzählen ist.

Die Jagd im nördlichen Sachsenwald war seinerzeit an drei Hamburger Kaufleute verpachtet, die jedoch nur an den kapitalen Hirschen interessiert waren, was zu einer Überpopulation des jungen und mittelalten Rotwildes führte. Diese forstlich untragbare Hege führte zu einem Zerwürfnis, das die Auflösung des Pachtverhältnisses zur Folge hatte.

Als Nachfolge bot sich Bernhard von Goldammer an, der 1895 als Oberst in Pension ging und bei Bismarck und Oberförster Lange als sachkundiger Jäger bekannt war. Goldammers Schwiegersohn, der vermögende Hamburger Kaufmann Albert B. Alexander, stieg formal als Pächter ein, so dass die erforderlichen Investitionen und Kosten gedeckt waren. Und so zog Bernhard von Goldammer mit zwei Berufsjägern und Personal in das Jagdhaus am Stangenteich ein.

Zunächst verminderte Goldammer den Rotwildbestand und grenzte dann ein großflächiges Wildgatter nördlich der Eisenbahnstrecke ab, um innerhalb des Gatters eine planvolle Hege des Rotwildes zu betreiben. Um den Verbiss im Forst zu begrenzen, legte er eine Reihe von Wildäckern zur Äsung an. Darüber hinaus fütterte er das Wild fast ganzjährig. Täglich fuhr er mit einem Leiterwagen auf einen Futterplatz in der Schwarzen Riede, in dessen Nähe auch nie ein Schuss abgegeben wurde.

Schwarze Riede

War es vielleicht diese Lichtung in der Schwarzen Riede, wo Goldammer sein Wild fütterte?

Durch planvolle Hege und Bejagung entwickelte Goldammer eine Rotwildpopulation mit einem Geschlechterverhältnis von 1:1 und konnte so nach und nach eine Anzahl kapitaler Hirschen zur Jagd freigeben.

Bernhard von Goldammer galt als großzügiger Gastgeber, die Liste seiner Jagdgäste war lang und klangvoll. Abschussgenehmigungen für kapitale Hirsche bekam jedoch nur, wer über Jahre durch Hegeabschüsse seine Jagdreife bewiesen hatte. Goldammers Trinkfestigkeit und sein derber Humor waren Legion. Stammgäste hatten ihren eigenen Silberbecher, aus dem gerne die damals beliebte Mischung aus Sekt und Moselwein getrunken wurde. Auch Otto von Bismarck soll häufig Gast im Jagdhaus am Stangenteich gewesen sein, um sich von seinen Altersleiden abzulenken.

Ein Jahr vor seinem Tod pachtete Goldammer noch das südlich der Eisenbahn gelegene Saugatter, so dass die Gäste neben Rotwild auch auf Dam- und Schwarzwild jagen konnten.

Dem braven Jäger – dem Heger und Pfleger. – Seine Freunde

Goldammer starb nach der Hirschbrunft des Jahres 1906. Seine letzte Ruhestätte fand er in seinem Wald bei seinem Wild. Der Berliner Bildhauer Professor Johannes Boese schuf für seinen Jagdfreund ein Denkmal, das 1908 feierlich durch den preußischen Landwirtschaftsminister Victor von Podbielski im Stangenteichsforst enthüllt wurde.